App-Entwickler müssen gute Nachbarn sein und wieder sorgsamer mit knappen Ressourcen (Speicher, CPU, Akku) umgehen, sonst werden ihre Apps wahrscheinlich bald von Benutzern gelöscht.
Die World Wide Developer Conference (WWDC) 2015 in San Francisco ist nun schon wieder weit mehr als einen Monat vergangen. Ich habe von der Veranstaltung eine Aufgabe bzw. Herausforderung für uns Architekten, Programmierer und Designer mitgenommen, die ich für sehr wichtig halte:
Diese unterschwellige Nachricht habe ich über die gesamte Veranstaltung hinweg immer wieder wahrgenommen. Obwohl wir alle auch in der realen Welt gute Nachbarn sein sollten, meine ich das natürlich im übertragenen Sinne. In einer Wohnnachbarschaft trägt jeder einzelne Bewohner zur Lebensqualität der Stadt, des Bezirks, des Viertels, der Gegend, der Straße oder des Blocks bei. Genauso trägt jede einzelne App zur User Experience eines Smartphones, eines Tablets, einer Smartwatch usw. bei. Es wird erwartet, dass sich alle an „geltende Regeln“ halten. Regelverletzungen werden in Nachbarschaften meist recht schnell „geregelt“.
Gute Nachbarn halten sich jedoch nicht nur an die Regeln, sondern unterstützen sich gegenseitig über diese Regeln hinaus, um das Leben in der Gemeinschaft zu verbessern. So parken gute Nachbarn mit eigenem Parkplatz auch auf diesem und belegen nicht die wenigen frei zugänglichen Parkplätze, auf die andere Bewohner ohne eigenen Parkplatz angewiesen sind. Diese guten Nachbarn gehen offensichtlich rücksichtsvoll mit der knappen Ressource Parkplätze um.
Ein rücksichtsvoller Umgang mit knappen Ressourcen wird auch in der App Entwicklung wieder wichtiger. Durch den schnellen technologischen Fortschritt wurden wir in der jüngeren Vergangenheit verwöhnt und sind es gewohnt, dass sich ein Speicher- oder Performance-Problem unserer Software oft mit der nächsten Hardware-Generation quasi von selbst löst („Hit it with Hardware!“).
Die Einführung von Smartphones und anderen mobilen Endgeräten hatte zwar zunächst einen ressourcenschonenderen Umgang gefordert, aber auch hier bringt jede neue Hardware-Generation mehr Ressourcen mit sich. Spätestens jedoch mit der Einführung von Wearables und Kleinstgeräten für das Internet of (Every)Thing(s) müssen wir auf Softwareseite wieder schonender mit knappen Ressourcen umgehen. Zu diesen knappen Ressourcen gehören unter anderem Speicherplatz (Disk Space), Hauptspeicher, Rechenleistung und Akku-Kapazität.
Obwohl der Speicherplatz auf Mobilgeräten immer größer wird, reicht er meist dennoch nicht aus. Wir speichern nämlich immer mehr Bilder, Apps, Musik usw. auf unseren Geräten. Apple trägt jüngst seinen Teil dazu bei, die knappe Ressource Speicherplatz besser zu nutzen. So benötigt beispielsweise schon jetzt das Betriebssystem nach manchen Updates sogar deutlich weniger Speicherplatz als zuvor, obwohl oftmals sogar neue Features hinzukommen. Eine solche Verschlankung sollten wir auch berücksichtigen, wenn wir für unsere Apps Updates zur Verfügung stellen.
Um dieses „App Thinning“ zu unterstützen, stellt Apple mit „Slicing“ ab iOS 9 eine neue Funktionalität zur Verfügung. Apps, die für verschiedene Geräte entwickelt wurden (z.B. iPhone 4, iPhone 5, iPhone 6, iPhone 6 Plus, iPad mini, iPad), wurden bisher vollständig auf die unterstützten Geräte übertragen. Zur optimalen Darstellung auf dem jeweiligen Geräte werden hierzu aber mehrere Versionen einer Grafik in unterschiedlichen Auflösungen erstellt. Bisher werden alle Versionen auf jedem Gerät gespeichert. Mit Slicing werden ab iOS 9 automatisch nur noch genau die Versionen übertragen, die vom jeweiligen Gerät benötigt werden.
Um gute Nachbarn zu sein, sollten wir jedoch diesen neu gewonnen Speicherplatz nicht verschwenden, sondern vielmehr darauf achten, wo wir in unseren eigenen Apps noch zusätzlichen Speicherplatz freisetzen können. Reicht vielleicht mal ein stärker komprimiertes JPG aus oder muss es wirklich immer ein PNG sein? Falls es ein PNG sein muss, reichen vielleicht auch mal die 256 Farben eines 8-Bit PNG? Kleine Dateigrößen sind auch gerade für den Austausch zwischen iPhone und Apple Watch hilfreich. Denn wenn wir auf die Uhr sehen, dann wollen wir eins definitiv nicht sehen: Das Lade- bzw. Synchronisations-Symbol. Eine verbesserte Speichernutzung trägt damit auch zu einer besseren Performanz und somit zu einer besseren User Experience bei.
Der sorgsame Umgang mit knappen Ressourcen gilt neben dem Speicherplatz ganz genauso für den Umgang mit Hauptspeicher und Rechenleistung (CPU und GPU). Auch hier gilt zunächst, dass die eigene App auf den ersten Blick nichts davon hat, dass sie sorgsam mit diesen Ressourcen umgeht, solange man nicht an die Leistungsgrenze kommt. Dennoch trägt auch die sorgsame Nutzung dieser Ressourcen zur User Experience des Smartphones bei. Benötigt die aktuell (im Vordergrund) benutzte App weitere Ressourcen, so wird beispielsweise diejenige App vom Betriebssystem beendet, die momentan im Hintergrund die meisten Ressourcen benötigt.
Dies beeinträchtigt nicht nur die Ladezeiten für deren nächstes Öffnen sondern ggf. sogar deren Funktionalität, da Hintergrundoperationen nicht mehr durchgeführt werden können. Wir tun somit gut daran, auf die Ressourcennutzung unserer Apps zu achten (so dass wir zumindest nicht die meisten Ressourcen verbrauchen bzw. verschwenden und damit oben auf der Liste stehen). Dies wird mit der Einführung von „echtem“ Multitasking mit iOS 9 auf dem iPad Air 2 noch wichtiger. Wir können dann nicht mehr davon ausgehen, dass unsere App alleine im Vordergrund ist, sondern sie muss sich die Ressourcen ggf. mit einer weiteren App teilen. Der eigenen App stehen dann ein Drittel, die Hälfte oder der ganze Bildschirm zur Verfügung. Apple empfiehlt hier „Nice-to-Have-Funktionalitäten“ zu opfern, wenn die eigene App derzeit nur zur Hälfte oder einem Drittel angezeigt wird. Die Benutzer werden es danken.
Der sorgsame Umgang mit Rechenleistung wirkt sich zudem positiv auf die Akkulaufzeit aus. Wir erwarten heute, dass wir unser Smartphone den ganzen Tag lang nutzen können („All-day Battery Life“). Im besten Fall müssen wir es tagsüber nicht aufladen. Dies ist jedoch bei intensiver Nutzung des Geräts leider immer noch nicht möglich. Zwar werden die Akkus immer größer und leistungsfähiger, jedoch müssen wir als Softwareentwickler auch hier unseren Teil dazu beitragen. Mit Bezug auf die Rechenleistung gibt Apple hier die Faustregel an „Schneller = weniger Energieverbrauch“.
Wenn wir somit eine rechenintensive Operation durchführen, so braucht eine „naive“ (Algorithmus-) Variante ohne Optimierung am meisten Energie, gefolgt von einer optimierten Operation. Noch weniger Energie benötigt eine Operation, wenn sie parallel von mehreren CPUs ausgeführt werden kann (Multicore-Optimierung). Optimiert man die Operation dann noch durch OpenCL oder GPU Nutzung, so spart man noch mehr Energie. Dies erscheint zunächst nicht offensichtlich, da eine Operation, die parallel mehrere CPUs und die GPU in Anspruch nimmt, natürlich viel mehr Energie benötigt. Laut Apple kann die Operation aber so viel schneller ausgeführt werden, dass es sich am Ende auszahlt. Es lohnt sich somit nicht, einfach naiv jede Operation so umzusetzen, wie man es schon immer gemacht hat, sondern beispielsweise Bibliotheken zu verwenden, die für Multicore-Nutzung optimiert sind.




Schneller = weniger Energieverbrauch. Operationen die bezüglich Multicore, OpenCL und GPU Benutzung optimiert wurden beanspruchen zwar den Prozessor mehr, sind aber deutlich schneller. Operationen mit naiv umgesetzten Algorithmen beanspruchen zwar den Prozessor weniger, durch die lange Rechenzeit wird jedoch am Ende deutlich mehr Akkuleistung verschwendet.
Neben der Multicore-Optimierung habe ich folgende weitere Empfehlungen zur Optimierung der Akkulaufzeit mitgenommen:
- Nur dann transparente Overlays in Videos verwenden, wenn wirklich nötig, da diese Overlays energiesparende Mechanismen aushebeln.
- Networking (Bluetooth, WLAN, LTE) minimieren. Muss die App wirklich immer im Hintergrund synchronisiert werden, oder reicht es vielleicht die Synchronisation bei der nächsten Benutzung durchzuführen?
- Sleep Zustand nicht verzögern.
- Operationen erst dann durchführen, wenn der Benutzer deren Ergebnis benötigt.
- GPS Nutzung nicht übertreiben. Man muss auch nicht immer gleich alles in der App aktuell halten. Man kann z.B. auch Minutenlang die Position einfach von der Hardware tracken lassen (M7 Motionprocessor) und aktualisiert die App erst später, z.B. sobald die App wieder in den Vordergrund kommt. d.h. verwendet wird.
- Operationen dann durchführen, wenn der Benutzer das Gerät gerade aktiv verwendet.
Apple hat zudem iOS 9 hinsichtlich Akkulaufzeit verbessert und verspricht mit iOS 9 auf gleicher Hardware 1 Stunde mehr Akkulaufzeit als mit iOS 8. Hierzu werden beispielsweise folgende Änderungen eingeführt:
- Liegt das mobile Gerät mit dem Display nach unten (Face Down), wird das Display nicht eingeschaltet, um eine Benachrichtigung anzuzeigen.
- Die Sleep Timer wurden optimiert. So wird das Display beispielweise schneller wieder ausgeschaltet, wenn der Benutzer schon aktiv mit einer Benachrichtigung interagiert. Ohne Interaktion bleibt das Display länger an, da der Benutzer die Benachrichtigung ggf. noch nicht gesehen hat.
- Benutzer werden in den Einstellungen informiert, was viel Energie verbraucht und es werden Vorschläge gemacht, wie man den Energieverbrauch verbessern kann.
Außerdem wird mit iOS 9 ein „Low Power Mode“ eingeführt, der bei gleicher Hardware zusätzliche 3 Stunden Akkulaufzeit bringen soll. Aktiviert der Benutzer diesen Mode, so werden beispielsweise keine Background-Downloads durchgeführt und keine E-Mails im Hintergrund abgerufen.
Es bleibt natürlich abzuwarten, ob Architekten, Programmierer und Designer gute Nachbarn sein können und (augenscheinlich) uneigennützig ihre Apps bezüglich des Umgangs mit knappen Ressourcen optimieren. Vielleicht pressen sie auch weiterhin alles bis aufs Letzte aus den verfügbaren Ressourcen raus („Nach mir die Sintflut.“). Hiervor möchte ich auf jeden Fall waren. Es geht nämlich nicht nur um die Optimierung der User Experience des Smartphones für den Benutzer. Ein rücksichtsvoller bzw. rücksichtsloser Umgang mit knappen Ressourcen hat ggf. auch einen Einfluss auf das eigene Business. So kann beispielsweise eine App, die wenig Speicherplatz und Akkulaufzeit „frisst“, momentan sogar ein Alleinstellungsmerkmal (USP) sein. Dies gilt insbesondere für Apps, für die es viele Konkurrenz-Apps gibt, die sich nicht wirklich in ihrer Funktionalität unterscheiden (z.B. Wetter-Apps).
Viel wichtiger ist jedoch, dass Benutzer selbst mittlerweile einen viel besseren Überblick haben, welche Apps die Ressourcen ihrer Smartphones verschwenden. In den iPhone Einstellungen unter „Allgemein->Benutzung->Batterienutzung“ bzw. „Allgemein->Benutzung->Speicher verwalten“ werden alle Apps in einer Rangliste aufgeführt.




iPhone Einstellungen: Batterienutzung (Links), Speichernutzung (Mitte), Speicherintensive App löschen (Rechts)
Möchte der Benutzer beispielsweise eine App löschen, die seiner Meinung nach zu viel Speicherplatz benötigt, so kann er die App direkt dort löschen. Dazu werden nur 2 Klicks benötigt. Wer jedoch sorgsam mit den knappen Ressourcen umgeht, hat offensichtlich nichts zu befürchten.
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